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Schreiende Proteine? Noch nie gehört?!? Food Forum Lebensmittel der Zukunft

Schreiende Proteine? Noch nie gehört? Wir bislang auch nicht. Aber das Food Forum Lebensmittel der Zukunft der Food-Processing Initiative am 21.03.23 bot so einiges an Neuem und Bemerkenswertem für die Teilnehmenden in der Lounge der Glass GmbH & Co KG in Paderborn, z. B. gesponnenes Fleisch, Grillen mit Gluten im Magen, das Soja des Nordens und Lösungen für die perfekt gescherte vegane Mayonnaise. Eine Mischung, die viele Fragen beantwortete und regen Austausch bot.

Der richtige Biss – welche Produkte behaupten sich am Markt?

Beate Kolkmann vom Food-Processing Initiative (FPI) stellte zunächst neben aktuellen Daten viele Praxisbeispiele für Produkte auf Eiweißbasis vor. Neben den bekannteren Sachen, wie z. B. Pflanzendrinks, zeigte sie aber auch, welche Produktbereiche noch in den Markt folgen und welche großen und kleinen Marken es in den einzelnen Sparten gibt. Während des Überblicks über die spannenden Proteinquellen Pflanzen, Pilze, Algen, Bakterien, Insekten sowie Zellkulturen fand dann das anfangs erwähnte gesponnene Fleisch Erwähnung. Im Projekt Eaden spinnt eine Maschine aus der Textilproduktion die pflanzlichen Proteine derart gekonnt zusammen, dass zumindest optisch kaum ein Unterscheid zu erkennen ist.

Die FPI Projekte ProHand und Acquacombine beschäftigen sich mit der Nutzung von Proteinen aus Nebenströmen, zum einen am Beispiel des Tresters, der bei besagter Pflanzendrinkproduktion anfällt, zum anderen mit Herstellung von Produkten aus der Kombination von Acquakultur und salztoleranten Pflanzen.

Die Referentinnen und Referenten:
Prof. Dr. Guido Ritter (FH Münster), Beate Kolkmann (FPI), Karsten Ollesch (Glass GmbH & Co. KG), Dr. Sylvia Pfaff (FIS Europe) und Burkhard Voss (Eickenbecks Hofgenuss)

Sonntagsbraten oder Curry? Und was schreien Proteine?

Prof. Dr. Guido Ritter von der FH Münster ist der Fachmann, wenn es um Genuss und Geschmack in Verbindung mit nachhaltiger Entwicklung ist. Als Leiter des food lab muenster forscht er an den Rezepturen für die Lebensmittel der Zukunft, als Mitglied im Institut für nachhaltige Ernährung (iSuN) entwickelt er Konzepte, Produkte und Dienstleistungen für eine zukunftsfähige Ernährung.

Aber er ist auch derjenige, der die Proteine schreien hört! Warum schreien die Proteine? Weil die Ernährung der Weltbevölkerung zusehends schwieriger wird. Die Bevölkerung nimmt zu, die Belastung des Planeten erreicht ihre Grenzen, Ernten und Lieferketten werden volatiler, „gutes“ Essen ist damit nicht nur für den Menschen selbst, sondern auch für den Planeten wichtig. Und auch wenn Deutschland schon viel richtig macht auf dem Weg ausgewogenen Proteinversorgung, kann dort und im Bereich regionale Versorgung und Lieferketten noch viel erreicht werden. Was schreien also die Proteine? Sie schreien nach Fermentation, nach einer gezielten und präzisen Fermentation, die heute bereits technisch möglich ist, um den steigenden Proteinbedarf zu decken und aus ihnen leckere Produkte herzustellen, die auch gerne konsumiert werden. Denn auch daran forscht Ritter: welchen Einfluss haben Gewohnheit, Kultur und Biographie auf die Ernährung. Ein spannender Exkurs in die Bereiche Familie, Heimat und Reisen und deren Einfluss auf unser Essverhalten, vielen Dank dafür!

Süßlupine – das Soja des Nordens!

Familie und Heimat sind auch wichtige Themen bei Burkhard Voss. Als Landwirt liegt ihm viel daran, Landwirtschaft nachhaltiger und zukunftsfähig zu gestalten. Mit tierischen Eiweiß kennt er sich durch die Schweinezucht gut aus, doch die Idee, eben dieses Eiweiß in der Ernährung adäquat ersetzen zu können, hat ihn nicht losgelassen. Nach der Beschäftigung mit Fisch- bzw. Insektenzucht kam er auf Umwegen zur Süßlupine. Sie ist reich an essentiellen Aminosäuren, Mineralstoffen und Ballaststoffen und kann vielfältig eingesetzt werden. Doch bevor er sie verarbeiten konnte, mussten erst Anbau und Ernte optimiert werden. Die spannende Zeit der Produktentwicklung begann dann in Zusammenarbeit mit der FH Münster und einem Förderprogramm des Bundes.

Unter anderem finden sich nun Nudeln, Patties, Mehl, Hummus und seit kurzem auch Kaffee im eigenen Online Shop sowie in Hofläden der Umgebung und landen in den Töpfen einiger Gastronomien und Bäckereien. Das Geschäft läuft parallel zur Schweinezucht, der Sonntagsbraten ist Kulturgut und wer weiß, vielleicht schmeckt er noch besser mit einer Lupinenkreation. „Neue Kulturen anzubauen, Produkte daraus zu entwickeln, aber vor allem die Vermarktung ist eine große Herausforderung und erfordert einen langen Atem und gute Netzwerke!“ resümiert Voss.

Insekten auf dem Teller – Garnele, Krabbe & Mehlwurm?

Dieser Frage ging Dr. Sylvia Pfaff vom Food Information Service (FIS) Europe auf den Grund. In der EU sind mittlerweile die Larve des gelben Mehlwurms, die Wanderheuschrecke, die Hausgrille und die Larve des Getreideschimmelkäfers als neuartige Lebensmittel zugelassen.

Insekten bieten eine hohe Proteindichte, enthalten viele wichtige Vitamine und Mineralstoffe, brauchen weniger Platz und Wasser als Rinder, Schweine oder Hühner und verursachen weniger Treibhausgas-Emissionen. Alles gute Gründe dafür, die kleinen Krabbeltiere in diversen Verarbeitungsformen auf den Teller zu bringen, auch wenn es nicht gerade unserer Ernährungsbiographie in Deutschland entspricht. Garnelen und Krebse ja, Getreideschimmelkäfer eher nein. Dabei gibt es eine hohe Proteinhomologie zwischen einigen Krustentieren und Insektenarten.

Und damit ist Frau Dr. Pfaff bei einem sehr wichtigen Punkt, dem Allergenmanagement und der Kennzeichnungspflicht. Gerade diese Ähnlichkeit und auch die im Bereich Chitinasen sind der Grund für vorkommende Kreuzreaktivitäten, daher unterliegen Insekten einer klaren und verständlichen Kennzeichnungspflicht. Da Insekten im Ganzen verarbeitet werden, müssen auch eventuelle Allergene im Futtermittel berücksichtigt werden, z. B. das Gluten im Magen der Anfangs erwähnten Grille. Leider gibt es noch keine konkreten Regelungen in der Lebensmittel-Hygiene-Verordnung, der  Einsatz von Antibiotika wird nicht kontrolliert und über Zoonosen weiß man noch wenig.
Dass die Vorteile überwiegen, sieht man am dem vielfältigen Produktportfolio im Handel, man wird sehen, was sich etablieren wird.

Just mix it – in Paderborn!

Grau ist alle Theorie, daher ging es in die Praxis mit Andreas Glass und Karsten Ollesch, zwei der Geschäftsführer der Glass GmbH und Gastgeber des Food Forums. Welche Herausforderungen stellen neue, proteinbasierte Produkte an die Technologie? Auf jeden Fall keine, die man nicht in einem Unternehmen, dass sich auf Spezialmaschinen für die Lebensmittelindustrie spezialisiert hat, lösen kann!

Mit den neuen proteinbasierten Pulvermischungen ist es schwieriger geworden, eine klumpenfreie Vermischung ohne Lufteinschlüsse für die weitere Verarbeitung herzustellen. Aber auch vor- und nachgelagerte Bereiche bieten neue Herausforderung: Wie bekomme ich das Pulver in die Maschinen, ohne das der Staub sich im Raum verteilt, wie bekomme ich methylzellulosebasierte Mischungen, die sehr zäh und klebrig sind, rückstandslos aus der Maschine? Wie erreiche ich eine optimale Scherrate z. B. bei veganer Mayoniase, ohne das Produkt zu stark zu erwärmen?

Die Firma Glass setzt bei der Erschließung neuer Lösungswege darauf, bewährte Verfahren umzudenken und so zu planen, dass sie den neuen Anforderungen gerecht werden. Vieles erschließt sich erst, nachdem man mit den neuen Rohmaterialien Versuche startet und forscht. Die Glass GmbH hat eigens dafür ein angegliedertes Technikum, wo auch die Kombination verschiedener Maschinen und Techniken erprobt wird.

Die Betriebsführung (alles made in Germany) führte in dieses Technikum, wo dann alle Teilnehmenden getreu dem Firmen Motto „Just mix it!“ zum Abschluss einen äußerst leckeren Hummus mixen, verkosten und mitnehmen durften.

Fragen zum Thema oder zur Veranstatung beantwortet Ihnen gerne
Beate Kolkmann
Mobil: 0160 7452381
Mail: Beate.Kolkmann@foodprocessing.de